..................- oder: Ist der freie Wille des Einen "freier" als der freie Wille des Anderen?
Im "Der Spiegel" Nr. 1/2008 mit dem Titel "Firmensanierung" wird berichtet wie dutzende Berater und Anwälte an der Pleite des westfälischen Möbelherstellers Schieder Millionen verdienen. Eigentlich sollten die Berater das Unternehmen "sanieren".................
Die Berichte über horrende Managergehälter - auch von Unternehmen, welche in der Vergangenheit eine "Sanierung" mittels Entlassungen durchgeführt haben - stimmen den "Normal-Bundesbürger" zumindest nachdenklich. Man entlässt Mitarbeiter, steigert damit die Gewinnsituation, die Aktionäre und das Management freut sich, da diese ihre Gewinne auf Kosten der entlassenen Arbeitnehmer maximieren konnten. Der "Noch"-Arbeitnehmer, d.h. der "Normal-Bundesbürger" trägt wiederum mit seinen Steuern dazu bei, dass die entlassenen Arbeitslosen wenigstens ihr Existenzminimum bestreiten können.
Aus der Ferne oder mit Blick auf alle Bürger eines Landes betrachtet sind dies doch völlig absurde Erscheinungen und mir kommen so meine Zweifel:
Sind wir tatsächlich mit einem "freien" Willen ausgestattet, oder haben die Neurowissenschaftler Singer und Kollegen recht, wenn sie behaupten, dass der "freie" Wille nur ein "Konstrukt" = eine Vorstellung, ein Wunsch ist und mit der Wirklichkeit wenig zu tun hat? Könnte es sein, dass zwar das zu dieser Interpretation gehörende neurophysiologische Korrelat noch zu wünschen übrig lässt, aber Herr Singer und Kollegen hier durchaus die Realität erfasst haben?
Nun, ehrlich gesagt komme ich gewaltig ins Schleudern, was den freien Willen anbetrifft.......Wäre der menschliche Wille wirklich so frei, würde das heißen, dass abertausende Mitbüger sich über die Absurditäten in unserer Gesellschaft Gedanken machten. Hätten unsere Politiker tatsächlich einen freien Willen, würden sie dann nicht sofort einige Gesetze erlassen, um solche Entwicklungen zu verhindern?
Noch ein Gedanke geht mir durch den Kopf. Ich gebe zu, er ist ziemlich radikal und wird wohl zahlreiche Proteste hervorrufen. Dennoch: ich frage mich inwieweit wir Menschen uns tatsächlich von Tieren unterscheiden. Es wird behauptet wir seien kulturell höher stehend, wir seien "reflexive" Wesen. Aber, woran kann ich das erkennen? Fast neidisch blicke ich auf manche Tiergemeinschaften, welche eine angeblich "niedrige", jedoch sozialere Gemeinschaftsstruktur entwickelt haben, wie wir Menschen......................
Noch weitere "Absurditäten" gefällig?
Von Marc Scheloske - Blog Wissenswerkstatt: hier
oder: hier
oder: hier
Von Lars Fischer - Fishblog: hier
Was nun? Was heißt hier eigentlich freier Wille?
Funktionieren wir alle im Sinne der "Maslow'schen Bedürfnispyramide? Wer alles hat, sucht die "Macht", er funktioniert nach dem obersten Bedürfnisprinzip? Wer oben "sitzt" ist derjenige mit der Botschaft: "Du tust nur das, was du willst, wenn ich es dir sage ?!" ;-))
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3 Kommentare:
In der Tat bedarf es einer genauen Angabe, was jeweils mit "wollen" oder (substantiviert:) "der Wille" gemeint ist.
In der modernen Handlungstheorie ist mit (sc. etwas tun) "wollen" ein "Handeln" gemeint, das auf einen persönlichen Entschluss oder gemeinsamen Beschluss hin erfolgt. Die umgangssprachlichen Redeweisen, etwas absichtlich oder bewusst zu machen oder gemacht zu haben, dürften immer in diesem Sinn gemeint sein, ebenso der berühmte "letzte Wille": die Festlegung, wie der eigene Nachlass von anderen zu regeln ist. (Zum Grundsätzlichen s. hier und detaillierter hier oder ganz fundamental: Dirk Hartmann Philosophische Grundlagen der Psychologie. WBG, Darmstadt 1998 II,3 Emotive Psychologie und spezifisch wissenschaftsmethodisch hier.)
In undifferenzierter Redeweise wírd mit "wollen" einfach alles Streben und Bestreben von Lebewesen gemeint - ungeachtet dessen, wie es zustande kommt - oder gleich alles in der Welt (als gerichtet wirkender "Wirk"-lichkeit), eine Auffassung, nach der es dann sogar rein sprachlich möglich ist zu sagen (die simple Grundlage von Sagen), dass die Erde sich um die Sonne drehen "will", weil sie's faktisch "tut", und selbst ein Apfel vom Baum fallen wolle, nur noch nicht seine Zeit dazu gekommen sei, oder ein Stein vom Fels, dem nur der Anstoß dazu fehle...
Die Folge davon ist gravierend: Bewusstes, auf ein selbst bestimmtes Ziel ausgerichtetes und zweckgemäßes Handeln kann dann aus rein logischen Gründen nicht mehr von "Verhalten" unterschieden werden, das auf äussere oder innere Reize (oder Impulse) hin zustande kommt!
In diesem Fall ist nur noch die Differenzierung hinsichlich (unkonditioniertem oder angeborenen) Reflexen oder Reflexverhalten und gelerntem oder konditionierten, beim Menschen auch gewohnheitsmäßig genannten Verhalten möglich.
Unter derartigen theoretischen Vorbedingungen, die für Naturwissenschaften typisch sind, wird spezifisch menschliches Handeln, das per definitionem immer auf wenn auch noch so kurzes Denken - im einfachsten Fall auf eine kurze innere Zustimmung - hin zustande kommt, allein durch diese Festlegung des theoretischen Rahmens ausgeschlossen und ist infolgedessen auch theoretisch nicht mehr darstellbar. Insobesondere wird in derartigen Theorien nicht sichtbar, dass eine solche Bestimmung ihrer eigenen Voraussetzung - nämlich eine bewusste Festlegung zu sein - widerspricht und Behauptungen auf der Grundlage von Theorien dieser Konstruktion in grundsätzlichem, sog. "performativem" oder innerem Selbstwiderspruch" stehen. (Zur modernen Lösung dieses methodischen Dilemmas, die auch die früh in der Geistesgeschichte entstandene Entgegensetzung von Geistigem und Körperlichem mit der bekannten Folge des sog. Leib-Seele-Dualismus zum Verschwinden bringt, s. diese Hinweise hier)
Lieber Herr Dr. Kittel,
ganz herzlichen Dank für Ihren wertvollen Beitrag.
Die Gesellschaft stellt an die Wissenschaft den Anspruch, Phänomene - wie z.B. von mir geschildert - angemssen zu beschreiben oder zu erklären:
Wenn wir nun die geschilderte Situation (Menschen, die bestimmen und andere die "bestimmt" werden) mit Blick auf die von Ihnen vorgestellten theoretischen Standpunkte betrachtet, wo würden Sie dann die Freiheit des Willens, als bewusste Handlungsentscheidung ansiedeln?
Könnte man sagen, dass der eine Teil der Menschen nur "funktioniert" und der andere Teil seinen "Willen" benutzt um über seine Mitmenschen zu bestimmen?
Zur Erläuterung meiner Frage: Ich werde den Gedanken nicht los, dass Singer & Koll. ihre Feststellung auf der Grundlage des Libet-Experimentes bewusst provokativ verbreitet haben könnten, um - neben der Vermarktung ihrer Wissenschaft - auch auf solche Phänomene in der Gesellschaft aufmerksam zu machen?
Was halten Sie davon?
Singer & Koll. haben sicher die gegenwärtige Hype um die HF "genutzt" und das auf verschiedenste Weise - auch ganz persönlich: Singer z.B. hatte urplötzlich zwei TB auf dem Buchmark - mit schon anderweitig publizierten und bis dahin auf seiner HP zur Verfügung gestandenen Artikeln...
Interessanter ist nat. die Frage, was denn das ist und wie das zustande kommt, was wir mit "freiem Willen" meinen. Das Wichtigste dazu hab ich in den beiden ersten oben verlinkten Artikeln skizziert. Um die Zusammenhänge einigermaßen eingängig zu beschreiben, müsste ich mehr ausholen als hier Platz und sinnvoll ist. Eine imponierend nuancierte und gut lesbare Darstellung davon habe ich übrigens in dem TB des Hamburger Philosophen Ulrich Steinvorth "Was ist Vernunft? Eine philosophische Einführung" gefunden (Dritter Teil "Vernunft und Natur" Kap. 8, Kap. 9 sogar zu "Willensschwäche!) Das Büchl möchte ich hier nachdrücklich empfehlen. -
Der entscheidende Punkt ist, womit ich das auch mit ansprechen kann, was Sie im zweiten Abschnitt meinem Eindruck nach meinen: von Natur aus reagieren wir wie alle übrigen Lebewesen entweder auf äußere oder innere "Reize" (Anregungen und Impulse)! Das tun wir auch jahrelang, normalerweise in unseren ersten drei bis vier Lebensjahren. Je nach Geschwindigkeit der persönlichen "Entwicklung" (es gibt ja die "Aufgeweckten" und die etwas "Langsamen"; Hochbegabte sind am schnellsten... ) tritt im vierten, deutlich merkbar aber spätestens im fünften Lj., also um den und nach dem 4. Geb. etwas ein, was Kindern ("normalerweise"! wie gesagt können die indiv. Unterschiede ganz erheblich sein) bis dahin noch nicht möglich war: dass sie Erlebtes erzählen, sich also erinnern und ansatzweise auch "etwas" vorstellen können. (Erinnern, das wir normalerweise meinen, ist psychologisch gesehen ein Vorstellen! "Lernen" in dem Sinn, dass "sich einprägt", und zwar von selbst, was wir erleben, beginnt wesentlich früher - wie wir aus der Pränatalpsychologie wissen schon im Mutterleib!)
Kinder beginnen in dieser Zeit auch bewusst zu träumen, d.h. sie können plötzlich von Träumen erzählen. Außerdem fangen sie an zu kombinieren: manche in Form der berühmt-'berüchtigten' Endlos-Warum-Fragen. (In dem Entwicklungsstadium sind sie auch "kinderartenreif".)
Ab diesem Alter ist nun folgendes möglich: man kann Kinder anregen oder auffordern, auch von ihnen "fordern" (und dabei überfordern!), "erst zu denken, dann zu handeln". Wer denkt, schafft sich in der Vorstellung zusätzlich zu dem, was momentan "ist", etwas weiteres, was nicht da ist, sondern "nur" vorgestellt wird - wenn, ja wenn man es denn tut...
Wir reden hier gern von Gedankenfreiheit: "in der Tat"(!) schaffen wir uns ja gedanklich etwas anderes oder etwas zusätzliches zu dem, was in einer gegenwärtigen Situation alles so da ist. Und weil wir uns vorstellen können, was uns beliebt, können wir ab dieser Zeit und nicht nur Beliebiges vorstellen; wir können uns "in der Vorstellung" oder "im Geist" oder "im Kopf" ganze Vorstellungswelten "schaffen" - Grundlage unserer gesamten Kreativität, Phantasie und Kultur...
Ab diesem Alter stellt sich dann immer die Frage: hat jemand impulsiv reagiert, u.d.h. immer: unüberlegt, gedankenlos, hirnlos, spontan oder wie die hier gebräuchlichen Begriffe alle heißen, oder hat er sich "erst" überlegt, was er tun könnte und dann entschieden, was er tun wolle.
Wollen drückt also aus, dass jemand sich nach mehr oder (meist) weniger reiflichem Überlegen und Nachdenken zu etwas (von ihm selbst) "Bestimmten" entschieden und sich darauf festgelegt hat, dies auch in seinem weiteren Tun solange zu berücksichtigen, d.h. daran festzuhalten, d.h. "im weiteren" (in oder bei seinem weiteren Tun) solange zu denken oder es zu berücksichtigen, bis er sich "eines anderen besinnt" und sich für etwas anderes entschieden hat.
Die Umgangssprache ist hier höchst differenziert und nuanciert; kein Wunder: machen wir ja das immer wieder, was damit gemeint ist, sobald und solange wir als sich ihrer selbst bewusste Menschen, die überlegt handeln statt impulsiv nur zu REagieren: auf etwas wie einen Reiz oder einen inneren Impuls hin sich zu reagieren, sich also wie jedes andere Lebewesen bloß zu "verhalten".
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