Dienstag, 8. Januar 2008

Manche "Gehirne" sind einfach cleverer als andere (2)

Ingo-Wolf Kittel hat zu diesem Thema lesenswerte Kommentare hinterlassen, welche m.E. nicht in der "Versenkung" der Kommentarfunktion verschwinden sollten. Hier Nr.1: (Die Überschriften stammen von mir) Meine Fragestellung an Herrn Kittel vorab:

Die Gesellschaft stellt an die Wissenschaft den Anspruch, Phänomene - wie z.B. von mir geschildert - angemessen zu beschreiben oder zu erklären:
Wenn wir nun die geschilderte Situation (Menschen, die bestimmen und andere die "bestimmt" werden) mit Blick auf die von Ihnen vorgestellten theoretischen Standpunkte betrachtet, wo würden Sie dann die Freiheit des Willens, als bewusste Handlungsentscheidung ansiedeln?

Könnte man sagen, dass der eine Teil der Menschen nur "funktioniert" und der andere Teil seinen "Willen" benutzt, um über seine Mitmenschen zu bestimmen?

Zur Erläuterung meiner Frage: Ich werde den Gedanken nicht los, dass Singer & Koll. ihre F
eststellung auf der Grundlage des Libet-Experimentes bewusst provokativ verbreitet haben könnten, um - neben der Vermarktung ihrer Wissenschaft - auch auf solche Phänomene in der Gesellschaft aufmerksam zu machen?

Was halten Sie davon?

Herr Kittel meint:

Singer & Koll. haben sicher den gegenwärtigen Hype um die Hirnforschung "genutzt" und das auf verschiedenste Weise - auch ganz persönlich: Singer z.B. hatte urplötzlich zwei Taschenbücher auf dem Buchmarkt - mit schon anderweitig publizierten und bis dahin auf seiner Homepage zur Verfügung gestandenen Artikeln...

Interessanter ist natürlichdie Frage, was denn das ist und wie das zustande kommt, was wir mit "freiem Willen" meinen. Das Wichtigste dazu hab ich in den beiden ersten oben verlinkten Artikeln skizziert. Um die Zusammenhänge einigermaßen eingängig zu beschreiben, müsste ich mehr ausholen als hier Platz und sinnvoll ist. Eine imponierend nuancierte und gut lesbare Darstellung davon habe ich übrigens in dem Taschenbuch des Hamburger Philosophen Ulrich Steinvorth "Was ist Vernunft? Eine philosophische Einführung" gefunden (Dritter Teil "Vernunft und Natur" Kap. 8, Kap. 9 sogar zu "Willensschwäche!) Das Büchl möchte ich hier nachdrücklich empfehlen. -

Kleinkinder reagieren erst auf äußere oder innere Reize:

Der entscheidende Punkt ist, womit ich das auch mit ansprechen kann, was Sie im zweiten Abschnitt meinem Eindruck nach meinen: von Natur aus reagieren wir wie alle übrigen Lebewesen entweder auf äußere oder innere "Reize" (Anregungen und Impulse)! Das tun wir auch jahrelang, normalerweise in unseren ersten drei bis vier Lebensjahren.


Ca. ab dem 5. Lebensjahr entwickelt sich die Fähigkeit, sich an Erlebtes zu erinnern und sich etwas gedanklich vorstellen zu können:

Je nach Geschwindigkeit der persönlichen "Entwicklung" (es gibt ja die "Aufgeweckten" und die etwas "Langsamen"; Hochbegabte sind am schnellsten... ) tritt im vierten, deutlich merkbar aber spätestens im fünften Lebensjahr, also um den und nach dem 4. Geburtstag etwas ein, was Kindern ("normalerweise"! wie gesagt können die individuellen Unterschiede ganz erheblich sein) bis dahin noch nicht möglich war: dass sie Erlebtes erzählen, sich also erinnern und ansatzweise auch "etwas" vorstellen können. (Erinnern, das wir normalerweise meinen, ist psychologisch gesehen ein Vorstellen! "Lernen" in dem Sinn, dass "sich einprägt", und zwar von selbst, was wir erleben, beginnt wesentlich früher - wie wir aus der Pränatalpsychologie wissen schon im Mutterleib!)

und sie fragen sich, wie die Dinge funktionieren: warum dies, warum das....


Kinder beginnen in dieser Zeit auch bewusst zu träumen, d.h. sie können plötzlich von Träumen erzählen. Außerdem fangen sie an zu kombinieren: manche in Form der berühmt-'berüchtigten' Endlos-Warum-Fragen. (In dem Entwicklungsstadium sind sie auch "kinderartenreif".)

Ab diesem Alter ist nun folgendes möglich: man kann Kinder anregen oder auffordern, auch von ihnen "fordern" (und dabei überfordern!), "erst zu denken, dann zu handeln". Wer denkt, schafft sich in der Vorstellung zusätzlich zu dem, was momentan "ist", etwas weiteres, was nicht da ist, sondern "nur" vorgestellt wird - wenn, ja wenn man es denn tut...

Gedankenfreiheit - wir schaffen uns gedanklich etwas Neues:

Wir reden hier gern von Gedankenfreiheit: "in der Tat"(!) schaffen wir uns ja gedanklich etwas anderes oder etwas zusätzliches zu dem, was in einer gegenwärtigen Situation alles so da ist. Und weil wir uns vorstellen können, was uns beliebt, können wir ab dieser Zeit und nicht nur Beliebiges vorstellen; wir können uns "in der Vorstellung" oder "im Geist" oder "im Kopf" ganze Vorstellungswelten "schaffen" - Grundlage unserer gesamten Kreativität, Phantasie und Kultur...

Ab diesem Alter stellt sich dann immer die Frage: hat jemand impulsiv reagiert, u.d.h. immer: unüberlegt, gedankenlos, hirnlos, spontan oder wie die hier gebräuchlichen Begriffe alle heißen, oder hat er sich "erst" überlegt, was er tun könnte und dann entschieden, was er tun wolle.

Der (freie)Wille

Wollen drückt also aus, dass jemand sich nach mehr oder (meist) weniger reiflichem Überlegen und Nachdenken zu etwas (von ihm selbst) "Bestimmten" entschieden und sich darauf festgelegt hat, dies auch in seinem weiteren Tun solange zu berücksichtigen, d.h. daran festzuhalten, d.h. "im weiteren" (in oder bei seinem weiteren Tun) solange zu denken oder es zu berücksichtigen, bis er sich "eines anderen besinnt" und sich für etwas anderes entschieden hat.

Die Umgangssprache ist hier höchst differenziert und nuanciert; kein Wunder: machen wir ja das immer wieder, was damit gemeint ist, sobald und solange wir als sich ihrer selbst bewusste Menschen, die überlegt handeln statt impulsiv nur zu reagieren:
auf etwas wie einen Reiz oder einen inneren Impuls hin zu reagieren, sich also wie jedes andere Lebewesen bloß zu "verhalten".

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