Mittwoch, 30. April 2008
The frontal lobes - Das Frontalhirn und seine Funktionen
Ergebnisse aus der Hirnforschung und aus Läsionsstudien deuten darauf hin, dass das Frontalhirn eine bedeutende Rolle in der Entscheidungsfindung und Zukunftsplanung hat. Es befähigt uns, Dinge zu beurteilen, Entscheidungen zu treffen, zwischen verschiedenen Möglichkeiten zu wählen, etwas abwägen oder über Dinge nachzudenken.
Dieses Video zeigt einen jungen Mann, welcher durch ein Aneurysma im Frontalhirn, trotz immer noch vorhandener allgemeiner Intelligenz, sein Organisationstalent und seine Planungsfähigkeit weitgehend verloren hat. Weiter wird die Entwicklung des Frontalhirns angesprochen, denn dieser Bereich des Gehirns entwickelt sich in der Kindheit zuletzt. Mit Hilfe von Tierversuchen konnte die Annahme bestätigt werden, dass das Frontalhirn an Entscheidungsprozessen beteiligt ist. Das Video dauert 9 Minuten.
Freitag, 25. April 2008
Sendung 3Sat "Scobel": Das Gehirn auf der Couch vom 24.04.2008
Eine interessante Diskussion wurde in der Sendung "Scobel" am Donnerstag präsentiert. Thema war das Verhältnis der Hirnforschung zur Psychoanalyse resp. zum Theoriegebäude von Sigmund Freud:
"Thema: Das Gehirn auf der Couch. Das Zusammenwachsen von Psychoanalyse und Neurowissenschaften zur sogenannten Neuropsychotherapie"So vielversprechend dieser Titel klingt, ist das "Zusammenwachsen" zur "Neuropsychotherapie" allerdings nicht. In der Gesprächsrunde wurde deutlich, dass Prof. Dr. Wolf Singer sich zur Teilnahme an der Bremer "Depressionsstudie" überreden lassen musste. Dort wird auch nicht eine Neuropsychotherapie entwickelt, sondern es wird versucht!!! zu zeigen, dass eine psychoanalytische Therapie bei Depressionen erfolgreich sein soll.
Im Beitrag auf der "Scobel-Seite" bei 3 Sat wird einem tatsächlichen Ergebnis der Studie bereits vorgegriffen. So heißt es dort in der Überschrift: "Freuds Theorien durch neue Techniken bestätigt." Diese Feststellung findet sich durch keine Aussage im nachfolgenden Text bestätigt:
Blick ins Gehirn. Verschiedene bildgebende Verfahren liefern Momentaufnahmen des Gehirns
Psychoanalyse soll bei Depressionen helfen
Die Patienten werden mit Bildern und Sätzen konfrontiert, die ihre persönlichen, psychischen Konflikte ansprechen. Dabei wird gemessen, welche Regionen besonders aktiv sind. Bezugspunkt für die Messungen ist eine gleich große Kontrollgruppe mit Gesunden, deren Reaktion ebenfalls auf "individuelle Stimulussätze" getestet wird. Der Unterschied: Die Teilnehmer der Kontrollgruppe führen ein befriedigendes Leben und haben funktionierende Beziehungen. Sie beziehen Probleme nicht automatisch auf sich und können Ärger insgesamt besser bewältigen. Entsprechend lassen sich die unterschiedlichen Reaktionen dann auch am Gehirnscan ablesen"
Warum Wissenschaft und seine mediale Variante ein Glaubwürdigkeitsproblem hat bzw. bekommt, lässt sich leicht an der nicht belegbaren Äußerung von Wolf Singer ablesen:"Weitere Studien werden folgen, aber eines kann man sicher jetzt schon sagen: sie werden unser Bild vom Zusammenspiel von psychischen Erkrankungen und unserem Gehirn entscheidend verändern."
Weder das, im Übrigen von Eric Kandel jovial kritisierte Versuchsdesign, noch der Versuchsaufbau lassen derart tiefgehende Einsichten, wie angekündigt, erwarten.
Denn hier stellen sich gleich mehrere Probleme, welche im Untersuchungsdesign unberücksichtigt bleiben:
1. Es gibt nicht "die" Depression, sondern es gibt verschiedene Erscheinungsformen von Depressionen.
Eric Kandel kritisiert daher, dass bei der Bremer Studie ein heterogenes "Patientengut" untersucht wird, welches man nachher allerdings homogen beurteilen möchte.
2. Die Ursachen von Depressionen unterscheiden sich voneinander
In der Studie wird nicht berücksichtigt, dass Depressionen möglicherweise völlig verschiedene Ursachen (im Sinne auch von Fehlfunktionen im Gehirn) haben können. Es wird also so getan, als ob Depression = Depression sei. Sobald die Studie fertig sein wird, ergibt sich daraus ein Interpretationsproblem. Es werden Daten mit ungleichen Erscheinungsformen korreliert!
2. In der Studie wird "Psychotherapie" gleichgesetzt mit der Verwendung von Schlüsselsätzen
In der Diskussion kam dies zum Ausdruck, als Frau Marianne Leuzinger-Bohleber darauf hinwies, dass in der Laborbeobachtung immer nur verkürzte Inhalte und Methoden verwendet werden können.
Auch dies wird zu berücksichtigen sein, wenn am Ende der Studie die Ergebnisse vorgestellt werden. Wer einen Satz liest, wie "Theorien Freuds durch neue Techniken bestätigt", muss sich die versuchstechnischen Hintergründe vor Augen führen. Denn Freuds Theorie lässt sich kaum in ein paar Schlüsselsätze packen.......
Oder wie Eric Kandel sagt: " Die Psychoanalyse ist nicht verifizierbar und auch nicht falsifizierbar" Außerdem ist die psychoanalytische Theorie hochkomplex, so dass selbst wenn man zukünftig die Möglichkeit hätte, Gehirnscans während Therapiesitzungen machen zu können, die Schwierigkeit bestünde, was man denn zu ihrer Bestätigung messen will.
Ein Besuch der hier angegebenen Links (u.a. die Videomitschnitte aus der Sendung) ist sehr empfehlenswert. Meines Erachtens wird dabei sehr deutlich, wie weit die Möglichkeiten der Neurowissenschaften reichen und wo ihre Beschränkungen liegen. Umgekehrt wird klar, dass komplexe Situationen, Sachverhalte und Theorien immer nur in Ansätzen für einen naturwissenschaftlichen (Erklärungs-)Zugang geeignet sind.
Die Gäste in der Sendung waren:
Prof. Dr. Eric R. Kandel
Neurowissenschaftler, Träger des Nobelpreises für Medizin aus dem Jahr 2000
Prof. Dr. Marianne Leuzinger-Bohleber
Direktorin des Sigmund Freud-Instituts in Frankfurt am Main
Prof. Dr. Wolf Singer
Neurophysiologe, Direktor des Max Planck-Instituts für Hirnforschung
Weitere Links zur Sendung:
Reizverarbeitung Der Mensch muss lernen, Ängste zu verarbeiten. Vor allem vor- und frühkindliche Erfahrungen sind dabei besonders wichtig und prägend für ein stabiles Selbst
Donnerstag, 10. April 2008
Wie vermeidet unser Gehirn Fehler? Bestätigt die Hirnforschung ein fast vergessenes kybernetisches Lernmodell?
Im aktuellen Gehirn&Geist wird nämlich berichtet, wie unser Gehirn arbeitet, wenn es Fehler erkennt und dass im Prinzip Irrtümer die Wegbereiter für neue Erkenntnisse sind.
Die Forschung, ihre Ergebnisse und Interpretation(en) ist eine Frage des Zeitgeistes und leider oft nicht eine Frage der vorhandenen Forschungsergebnisse. So fördert jede neue Forschungsstrategie, in diesem Falle die Neurowissenschaft, neue Erkenntnisse zu Tage und lässt "alte" Forschungsergebnisse (insbesondere wenn diese lange zurückliegen und aus einer anderen Disziplin stammen) völlig aus dem Blickfeld verschwinden...
Es sei denn, dass die Art der 'neuen' Ergebnisse die Erinnerung an 'alte' Theorien wieder wach rufen:
Wer sich näher mit (Lern-)Psychologie befasst hat, erinnert sich vielleicht noch an Theorien, wie z.B. "Lernen durch Versuch und Irrtum" oder an jene, von der damals noch völlig neuen Computertechnologie angeregte, kybernetische Lernmodelle (Test-Operate-Text-Exit). Diese Lernmodelle waren es auch, welche mir beim Lesen zu den dort geschilderten Ergebnissen aus der Hirnforschung in den Sinn gekommen sind.
Hat hier nun die Hirnforschung ein fast 50 Jahre altes psychologisches theoretisches Lernmodell, mit naturwissenschaftlichen Ergebnissen untermauert? Ich meine ja und freue mich, dass damit aus meiner Sicht der "Wahrheitsgehalt" einer beinahe vergessenen Theorie anhand der Funktionsweise unserer "Hardware" (= Gehirn) bestätigt wurde.
Ich möchte Sie zunächst auf eine kleine "Zeitreise" in die Geschichte der Psychologie mitnehmen, um danach wieder im hier und jetzt, d.h. im erwähnten Gehirn&Geist-Artikel zu landen:
Ein Blick in die Geschichte
Bildquelle:computerhistory.org
In den 50er Jahren wurden große Hoffnungen in die neue Computertechnologie und ihre Möglichkeiten gesetzt. Man dachte an neue Formen "künstlicher Intelligenz". Die Entwicklung der neuen Computertechnologie führte zur Unzufriedenheit und damit auch zur Überwindung streng behavioristischer Lernparadigmen. [1]
In the Historical Addendum to Newell and Simon’s Human Problem Solving [3] they say: ‘1956 could be taken as the critical year for the development of information processing psychology’ (p. 878). This is not difficult to justify. 1956 was the year that McCarthy, Minsky, Shannon and Nat Rochester held a conference on artificial intelligence at Dartmouth that was attended by nearly everyone working in the field at that time.So kam es zur sog. "Kognitven Revolution"[1]
By 1960 it was clear that something interdisciplinary was happening. At Harvard we called it cognitive studies, at Carnegie-Mellon they called in information-processing psychology, and at La Jolla they called it cognitive science.der "enge" behavioristische Blick "weitete" sich: [1]
Interdisciplinary activities I argued that at least six disciplines were involved: psychology, linguistics, neuroscience, computer science, anthropology and philosophy. I saw psychology, linguistics and computer science as central, the other three as peripheral.und es begann ein Paradigmenwechsel in der Psychologie, die sog. "Kognitive Wende". So war man also von der Erforschung des Geistes zunächst zu streng mess- und untersuchbaren Lernvorgängen (hauptsächlich in Tierversuchen) = Behaviorismus, wieder bei der Erforschung der geistigen, d.h. inneren Vorgänge gelandet. Zwei Beispiele von Jerome S. Bruner aus dieser Zeit:
Merkmale der Kognitiven Wende [2]+ [3]:Value and Need as Organizing Factors in Perception (1947) Jerome S. Bruner and Cecile C. Goodman[1] Harvard University First published in Journal of Abnormal and Social Psychology, 42, 33-44.
So much for the first hypothesis, that socially valued objects are susceptible to behavioral determinants in proportion to their value. Consider now the second hypothesis, that the greater the subjective need for a socially valued object, the greater will be the role of behavioral determinants of perception
On the Perception of Incongruity: A Paradigm Jerome S. Bruner and Leo Postman (1949)
Harvard University First published in Journal of Personality, 18, 206-223.
Zentral ist die Computermetapher. Sie prägt in der kommenden Zeit die Vorstellungen über das menschliche "Denken": So gilt nun der "sense-think-act cycle" [Sinneswahrnehmung - Denken - Handeln Kreislauf], d.h. man nimmt etwas mit seinen Sinnen wahr, man denkt darüber nach, man handelt und dann geht der Kreislauf wieder von vorne los.
Das T.O.T.E.-Modell
Miller, G.A., Galanter, E. & PribramK.H. haben daraus in Ihrem 1960 erschienenen Buch " Plans and the structure of behavior" eine kognitive Handlungstheorie entwickelt, welche kurz gefasst als das T.O.T.E.-Modell in die Geschichte der Psychologie eingegangen ist. Das Test-Operate-Test-Exit-Modell besagt nichts anderes, als dass wir eine Handlung vornehmen, diese mit unserer Zielsetzung vergleichen und - falls notwendig wieder durch eine neue Handlung korrigieren. Waren wir erfolgreich wird die Handlung beendet. Wobei hier nicht nur sichtbare "Handlungen" gemeint sind, sondern durchaus auch unsichtbare "Denkvorgänge".
Umgangssprachlich könnte man dies als das "Handeln-Prüfen-Handeln- Fertig-Modell", oder Denken-Prüfen-Denken-Fertig-Modell bezeichnen. Eine "wissenschaftliche" und abstraktere Erläuterung zum Modell finden Sie im Buch "Grundlagen der Sozialpsychologie:
Google-Buch: theoretische Erklärung zum T.O.T.E.- Modell "Grundlagen der Sozialpsychologie " von Lorenz Fischer, Günter Wiswede erschienen 2002 im Oldenbourg WissenschaftsverlagWie 1960 die "neuen" theoretischen Überlegungen aufgenommen wurden, vermittelt diese Buchbesprechung aus dem Jahre 1960:
(Buchbesprechung)GEORGE A. TALLAND, Ph.D. Book Review: George A. Miller, Eugene Galanter und "Plans and the Structure of Behavior" - 1960
TOTE stands for test-operate-test-exit and is a cybernetic alternative for the stimulus-response connection modeled on the reflex arc, which the authors reject as the fundamental pattern for the organization of behavior.[...]Perhaps the most serious defect of the theory is that it does not clearly state how Plans are set into operation. [..] To those who believe that, in spite of its lively controversies, psychology is in need of more theoretical systems anchored in empirical data, this essay offers an important contribution to the literature.FAZIT:
Die Entwicklungen in der "Computerwissenschaft (computer science)", heute würde man sagen in der Informatik, führten zu einem Paradigmenwechsel in der Psychologie. Man hegte ähnliche, noch etwas weniger gewagte Zukunftsvisionen (künstliche Intelligenz) als heute. Da die Tierexperimente nach dem behavioristischen Lernparadigma keine neuen Fortschritte aufwiesen, orientierte man neue Vorstellungen über das Lernen u.a. eben auch an dem Aufbau und der Funktionsweise der seinerzeit neu aufkommenden "Computerwissenschaft". Das T.O.T.E.-Modell erinnert daher an den Aufbau einfacher Computerbefehle (Algorithmen).
Damit möchte ich unsere kleine 'Zeitreise' beenden um an die Situation heute anknüpfen:
Wie bereits Talland in der Buchbesprechung "Plans and structure of behavior" angemahnt hatte:
To those who believe that, in spite of its lively controversies, psychology is in need of more theoretical systems anchored in empirical data, this essay offers an important contribution to the literature.führt uns die Weiterentwicklung bildgebender Verfahren in den Neurowissenschaften nun zu den dort angemahnten "empirischen Daten".
Wie ich bereits im Beitrag zum Buch "Gedankenlesen" von Stephan Schleim ("Bilder" vom Gehirn und was wirklich "dahinter" steckt....) berichtet habe, ermöglichen erst die hohe Leistungsfähigkeit moderner Computer die Auswertung der Daten, welche in der neurowissenschaftlichen Forschung gewonnen werden:
Bildquelle: (c)MPI Köln
Dr. Markus Ullsperger, Arzt und kognitiver Neurobiologe ist Leiter einer jungen, engagierten Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für neurologische Forschung in Köln. In der aktuellen Ausgabe von Geist&Gehirn(4/2008) "Subtile Lehrmeister : Fehler erkennen" berichtet er auf sehr anschauliche und vor allem verständliche Weise über die aktuellen Erkenntnisse aus der Hirnforschung:
Im frontomedianen Cortex (pFMC) wurde nun das "Überwachungszentrum" für unser Verhalten entdeckt. Dort werden Fehler erkannt und Korrekturen veranlasst, so dass wir unser Verhalten ständig optimieren können. Dort wird verglichen ob die herbeigeführte Aktion stimmig ist. Diese "innere" Kontrolle läuft völlig automatisch ab: So wurde festgestellt, dass bei einer falschen Entscheidung das elektrische Potential abfällt, so dass quasi ein "gedankliches Innehalten" eingeleitet wird und die fehlerhafte Aktion korrigiert werden kann.
Damit bestätigen diese Forschungsergebnisse inhaltlich das T.O.T.E.-Modell, wobei in den aktuellen Forschungen die Rolle von "Belohnungen" für das Funktionieren unseres "Überwachungssystems" untersucht wurden:
Denn Belohnungen sind die Indikatoren für eine "richtige" oder "falsche" Entscheidung. Dass Belohnungen für das Lernen wichtig sind, wissen wir seit vielen Jahrzehnten (=> operantes Konditionieren => Behaviorismus => Lernexperimente mit Tieren) Belohnungen und Motivationsreize sind die Grundlage für eine Entscheidungsfindung bzw. für zielgerichtetes Verhalten. Damit - so wird angenommen - bauen wir die 'Wertesysteme" für unser Verhalten auf. Belohnungen nehmen so eine Schlüsselposition in Entscheidungsprozessen ein.
Auch diese Annahmen der behavioristischen Lerntheorien wurden mit bildgebenden Verfahren bestätigt. So stieg die Feuerungsrate der Dopamin produzierenden Zellen im pFMC, sobald die Versuchstiere eine Belohnung erhielten.=>[4]+[5]
Das Team um Dr. Ullsperger untersuchte die Feuerungsrate der Dopamin produzierenden Zellen an Menschen. Dabei fand der Psychologe Tilmann Klein heraus, dass Menschen mit reduzierter Dopamin-Rezeptor-Dichte in ihren Nervenzellen (= A1-Träger = 1/3 der mitteleurop. Bevölkerung!), weniger auf Fehler reagieren(= kaum Reaktion im pFMC), als andere mit normaler Dichte.
Die Forscher schließen aus ihren Ergebnissen, dass der frontomediane Cortex (pFMC) für das Lernen aus Fehlern zuständig ist, wobei eine normale Rezeptordichte hierfür Voraussetzung wäre.
Sind nun A1-Träger jene, welche im Alltag daher Probleme haben? Nein, sagen die Forscher, denn im Alltag seien die Reize weit stärker und nicht so subtil, wie in ihren Versuchen. Außerdem gleichen A1-Träger ihre geringere Dopamin-Rezeptor-Dichte mit einer erhöhten Dopaminproduktion aus.
Die geringere Fähigkeit von A1-Trägern, aus schlechten Erfahrungen zu lernen, könnte- neben anderen Faktoren- auch erklären, warum dieser Personenkreis eher zu Suchtverhalten neige.
Näheres dazu von Andreas Jahn in Spektrum der Wissenschaft: » Falsch!
Im Gehirn&Geist - Originalartikel werden die Ergebnisse detailliert beschrieben.
Die Studien und Studienergebnisse des Teams Dr. Ullsperger in ausführlicher und wissenschaftlich anspruchsvollerer Form:
Schematisches Modell der kognitiven Prozesse, die für zielorientiertes und flexibles Verhalten notwendig sind
Handlungsüberwachung und flexibles, zielorientiertes Handeln beim Menschen: Neuroanatomische, physiologische und molekulare Grundlagen
Handlungsüberwachung und flexibles, zielorientiertes Handeln beim Menschen: Neuroanatomische, physiologische und molekulare Grundlagen
Der posteriore frontomediane Kortex
Befunde bei neurologisch kranken Patienten
Ergänzung um neue Erklärungsebenen:
Diese Erklärungsebene findet breite Zustimmung, jedoch neben grundsätzlichem Konsens auch die Kritik, dass in o.g. Studien höhere kognitive Funktionen und soziale Einflussfaktoren unberücksichtigt bleiben. (Lieberman- PDF)
Zwischenzeitlich wurden dazu eigene Studien veröffentlicht, z.B.:
Berkman, E. & Lieberman, M. D. (in press). The neuroscience of goal pursuit: Bridging gaps between theory and data. To appear in G. Moskowitz (Ed.) Goals. Guilford Press. PDF
Weitere, insbesondere sozialpsychologisch orientierte, neurowissenschaftliche Studien im PDF-Format auf der Webseite von Matthew Lieberman.
Wichtig für Einwohner in Köln und Umgebung ;-) Das MPI sucht Teilnehmer für ihre Studien:
Das MPI Köln sucht für ihre wissenschaftlichen Studien Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Alter von 10 bis 75 Jahren. (Dauer 1- 1½ Stunden, 10 € pro Stunde Aufwandsentschädigung) Nähere Informationen: hier
Quellenhinweise und Links:
* Bildquelle: Minimax and Alpha-Beta Pruning abgebildet: Allen Newell, Herbert Simon, Carnegie Mellon University
[1] http://www.cogsci.princeton.edu/~geo/Miller.pdf (engl)
[2]Kurzinformation zur kognitiven Wende (dt.)
[3] The Evolution of American Educational. Technology,by Paul Saettler, 2004 (engl.)
[4] T. Ljungberg, P. Apicella and W. Schultz; Responses of monkey dopamine neurons during learning of behavioral reactions, Institut de Physiologie, Universite de Fribourg, Switzerland.
[5] W. Schultz and R. Romo, Dopamine neurons of the monkey midbrain: contingencies of responses to stimuli eliciting immediate behavioral reactions ,Institut de Physiologie, Universite de Fribourg, Switzerland.
Weiterführende Informationen:
>Hirnaktivität kündigt Fehler an
Falsch! Hirnaktivität kündigt Fehler an
Montag, 7. April 2008
Der betörende Nimbus der Neurowissenschaften......
so kommentiert die Neue Züricher Zeitung Studien zur Bedeutung der Neurowissenschaften in der Wissenschaftsrezeption.
Insbesondere die Geistes- und Sozialwissenschaften untermauern ihre Feststellungen gerne mit vermeintlich "soliden" naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Auch umgekehrt werden in den Neurowissenschaften immer wieder weitreichende Interpretationen der wissenschaftlich interessierten Öffentlichkeit kundgetan, welche weit über das hinausgehen, was die Studien tatsächlich aussagen. Wie gut dieses Prinzip funktioniert und dafür sorgt, dass die Glaubwürdigkeit von Studien erhöht wird, haben mehrere Untersuchungen ergeben. Interessant dabei ist, dass selbst Neurowissenschaftler über den "betörenden Nimbus" ihrer Disziplin erstaunt waren.
Der betörende Nimbus der Neurowissenschaften
Zur Untermauerung von geistes- und sozialwissenschaftlichen Behauptungen wird heute gerne auf die Hirnforschung verwiesen.Wie ein Experiment nun erstmals gezeigt hat, lassen sich Nichtfachleute von neurowissenschaftlich verbrämten Argumenten derart blenden, dass sie logische Mängel derselben nicht mehr zu erkennen vermögen.Weitere Studien zum Thema bzw. Quellen der Originalstudie:
The power of blobs on the brain
The media love those colourful brain images - the ones adorned by blobs purportedly showing which areas are most active when the experimental participant is thinking about something specific like cheese on toast. Now researchers in America have shown just how persuasive these images can be.McCabe, D., Castel, A. (2008). Seeing is believing: The effect of brain images on judgments of scientific reasoning. Cognition, 107(1), 343-352
Abstract:
Brain images are believed to have a particularly persuasive influence on the public perception of research on cognition. Three experiments are reported showing that presenting brain images with articles summarizing cognitive neuroscience research resulted in higher ratings of scientific reasoning for arguments made in those articles, as compared to articles accompanied by bar graphs, a topographical map of brain activation, or no image. These data lend support to the notion that part of the fascination, and the credibility, of brain imaging research lies in the persuasive power of the actual brain images themselves. We argue that brain images are influential because they provide a physical basis for abstract cognitive processes, appealing to people’s affinity for reductionistic explanations of cognitive phenomena.The seductive allure of neuroscience explanations
Weisberg DS, Keil FC, Goodstein J, Rawson E, Gray JR.
Department of Psychology, Yale University, New Haven, CT 06520, USA.
erschienen in: J Cogn Neurosci. 2008 Mar;20(3):470-7.
Abstract:
Explanations of psychological phenomena seem to generate more public interest when they contain neuroscientific information. Even irrelevant neuroscience information in an explanation of a psychological phenomenon may interfere with people's abilities to critically consider the underlying logic of this explanation. We tested this hypothesis by giving naïve adults, students in a neuroscience course, and neuroscience experts brief descriptions of psychological phenomena followed by one of four types of explanation, according to a 2 (good explanation vs. bad explanation) x 2 (without neuroscience vs. with neuroscience) design. Crucially, the neuroscience information was irrelevant to the logic of the explanation, as confirmed by the expert subjects. Subjects in all three groups judged good explanations as more satisfying than bad ones. But subjects in the two nonexpert groups additionally judged that explanations with logically irrelevant neuroscience information were more satisfying than explanations without. The neuroscience information had a particularly striking effect on nonexperts' judgments of bad explanations, masking otherwise salient problems in these explanations.Ich halte diese Situation für sehr bedenklich, denn sie zeigt, dass einerseits notwendige Kritik an den Neurowissenschaften angesichts einer solchen ausgeprägten Wissenschaftsgläubigkeit zu Unrecht zurückgewiesen wird (z.B. Neurowissenschaften, Gehirn und Bewusstsein) und andererseits auf Dauer die sinnvolle Seite der Neurowissenschaften an Glaubwürdigkeit verlieren kann, wenn der "Nimbus" seinen Reiz verloren hat.
Die Wissenschaftsgeschichte ist voll von Beispielen, wie immer wieder in einzelne Wissenschaften und/oder Wissenschaftsbereiche sehr große Hoffnungen gesteckt werden, welche nach Ablösung durch einen neuen "Hyper" dann oft völlig verschwinden. Dass eine solche Entwicklung der Wissenschaft selbst nicht dienlich ist, versteht sich von selbst. So wäre es wünschenswert, wenn wissenschaftliche Ergebnisse sachlicher, d.h. weniger emotional und ideologisch geprägt mitgeteilt werden würden. Denn nur auf dieser Basis ist ein zeitsparender, interdisziplinärer Austausch überhaupt möglich.
Seit ungefähr 10 Jahren befasse ich mich mit den Neurowissenschaften. Mein Ziel war, für psychologische und pädagogische Studien und Theorien, weitere neurowissenschaftliche Belege zur Untermauerung zu erhalten. Leider nur mit bescheidenem Erfolg, denn jede Studie muss einzeln auf ihre Glaubwürdigkeit hin überprüft werden, wobei auch auf anatomische, neurophysiologische Kenntnisse und Wissen über Möglichkeiten und Grenzen neurowissenschaftlicher Forschung, nicht verzichtet werden kann. Der weitaus größere Anteil der wissenschaftlichen Arbeit entsteht aus dem Umstand der maßlos übertriebenen Berichterstattung und der großen Uneinigkeit der Neurowissenschaftler untereinander. Alles keine Indizien für eine größere Stichhaltigkeit neurowissenschaftlicher Belege.
Auch wenn dadurch nur sehr bescheidene "Belege" gesammelt werden können, sich manche Hoffnungen zerschlagen und andere Möglichkeiten sich eröffnen (z.B. in der Medizin), kann die Beschäftigung mit den Neurowissenschaften dennoch sehr spannend sein.
Dienstag, 1. April 2008
Wie der Spiegel seine Leser für dumm verkauft oder: wieder Supernachrichten für alle Gutgläubige
Visionen, Visionen, Visionen
Das "Gedankenlesen", so werden die Ergebnisse der jüngsten Forschungen genannt, entlocken manchen Neurowissenschaftlern wieder mannigfaltige "Zukunftsvsionen", welche an die Prophezeihungen nach Entdeckung der Elektroenzephalografie erinnern. Damals (August 1930!) kündigte man an, dass Geistes- und Hirnerkrankungen per EEG entdeckt werden sollten und sogar Briefe in Hirnschrift geschrieben werden würden. Davon ist wenig übrig geblieben. Die Geräte sind zwar zwischenzeitlich ausgefeilter und werden mit PC's kombiniert. Herausgekommen sind die sog. Biofeedback-Verfahren, welche vereinzelt in der Medizin und in der psychotherapeutischen Praxis zum Einsatz kommen. Die große Ankündigung ist quasi in einer "Nische" gelandet......
Das Vorzeigebeispiel im Spiegel:
Studie:
Using fMRI Brain Activation to Identify Cognitive States Associated with Perception of Tools and Dwellings
12 Teilnehmer, alle stammen aus einer Population, nämlich der Carnegie Mellon University. Das heißt, es handelt sich um eine sehr kleine Untersuchungsgruppe und sie entstammen aus einer homogenen Gruppe. Etwaige große Altersunterschiede oder unterschiedliche Schichtenzugehörigkeiten sind ausgeschlossen. Da Denkvorgänge altersvariabel, kulturell und sozial beeinflusst sein könnten, ist hier von vornherein die Chance erhöht, dass die Probanden Bilder ähnlich wahrnehmen. Diese Studie wurde im Januar mit viel Furore in den USA veröffentlicht, quasi als Hinweis darauf, dass man nun den "Durchbruch" geschafft hätte, Gedanken zu lesen. Die Studie und die Aussagen der Autoren, insbesondere jene Aussagen von Svetlana V. Shinkareva* "Im Prinzip können wir anhand der Hirnaktivität erkennen, was ein Mensch gerade denkt" gehen weit über das hinaus, was die Ergebnisse tatsächlich liefern. Bei 12 Probanden ist eine Zuverlässigkeit von 78 Prozent recht wenig. Obwohl die Probanden bereits aus einer homogenen Gruppe stammen schwanken die Übereinstimmungen so, dass 2 bis 3 Personen bereits andere "Gedankenmuster" aufweisen....Wer weiß, wie in fMRI-Studien "glatt gerechnet" wird, erwartet in einer homogenen Gruppe für den Bereich der visuellen Wahrnehmung eigentlich genauere Ergebnisse. Auch daran kann man erkennen, dass die Messmethode grundsätzlich zu hinterfragen ist. Die veröffentlichte Studie wird außerdem recht oberflächlich berichtet. Viele Hintergründe und Details, womit der Leser die wissenschaftstheoretische und methodische Basis der Studie überprüfen könnte, sind schlicht unzureichend beschrieben.
Autoren der Studie
*Svetlana V. Shinkareva1,2*, Robert A. Mason1, Vicente L. Malave1, Wei Wang2, Tom M. Mitchell2, Marcel Adam Just1
1 Department of Psychology, Carnegie Mellon University, Pittsburgh, Pennsylvania, United States of America2 Machine Learning Department, School of Computer Science, Carnegie Mellon University, Pittsburgh, Pennsylvania, United States of America
Kritik an der Studie: "Gedankenlesen durch Bildbetrachtung":
Besonders kritisch ist hier der hergestellte Zusammenhang zwischen visuellen Wahrnehmungsmustern im Gehirn und der behaupteten Möglichkeit des Gedankenlesens. Dabei besteht ein sehr großer Unterschied, ob wir alle dasselbe Bild betrachten, oder ob jeder für sich irgendwelche Gedanken macht. Der Begriff "Gedankenlesen" wird gemeinhin mit der Vorstellung verbunden, man könne mittels "Gedankenlesemaschine" die Gedankengänge eines Menschen verfolgen. Davon ist die Hirnforschung allerdings noch sehr weit entfernt, auch wenn derart reißerisch aufgemachte Artikel solche Möglichkeiten zu suggerieren versuchen. Hinzu kommt, dass die "Maschinen" zunächst diese Gedankenmuster selbst "lernen" mussten, um sie nachher wieder zu entdecken....Bislang sind "unbekannte" Gedanken nach wie vor nicht messbar!
Die "sachliche" Berichtsseite der Studie - ohne Übertreibung:
The two main conceptual advances offered by these findings are that there is an identifiable neural pattern associated with perception and contemplation of individual objects, and that part of the pattern is shared across participants. This neural pattern is characterized by a distribution of activation across many cortical regions, involving locations that encode diverse object properties. The results uncover the biological organization of information about visually depicted objects.Literaturhinweise:
Hilfsmittel zum Verständnis von Studien:Warum werden die Leser immer wieder aufs Neue "verschaukelt"?
1.So lügt man mit Statistik. Walter Krämer Taschenbuch - Piper (Sep 2000) - 206 Seiten
ISBN 3492230385 - ISBN-13 9783492230384
2.Der Hund, der Eier legt. Erkennen von Fehlinformation durch Querdenken
Hans-Hermann Dubben, Hans-Peter Beck-Bornholdt, Hans-Peter Beck- Bornholdt - Rowohlt Tb. (Feb 2007) - 320 Seiten
ISBN 3499621967 - ISBN-13 9783499621963
3.Das Ziegenproblem. Denken in Wahrscheinlichkeiten. Gero von Randow
Rowohlt Tb. (Mai 2004) - 208 Seiten - ISBN 3499619059 - ISBN-13 9783499619052
Das Problem entsteht erst dadurch, dass gegenüber den Medien immer wieder vollmundig irgendwelche Zukunftsvisionen entworfen werden und gutgläubige, neurowissenschaftlich wenig bewanderte Journalisten diese Visionen dankbar und unkritisch übernehmen. So haben solche "Alarmisten" (Vorwort von Thomas Metzinger im Buch "Gedankenlesen" von Stephan Schleim) leichtes Spiel. Sie erregen mediale Aufmerksamkeit und lockern den Geldbeutel von Sponsoren, Investoren und steuerzahlenden Wissenschaftsförderern....
Unauffällige Hinweise auf Ungereimtheiten im Spiegel-Essay:
Ganz leise keimen vielleicht bei manchen aufmerksamen Lesern Zweifel über die "Gedankenlesevision" auf, wenn sie erfahren, dass alleine das gedankliche "Buchstabenschreiben" einen Riesenaufwand erfordert:
So braucht es erst einmal sage und schreibe 100 Stunden bis man "nur" mit seinen Gedanken einen Cursor bewegen kann. Um gedanklich zu "schreiben" brauchte die schnellste !!! Versuchsperson (VP) immer noch 60 Sekunden für 8 Buchstaben. D.h. nur für den vorangehenden blau geschriebenen Satz benötigt die VP mehr als 600 Sekunden (= 10 Minuten!)
Wobei es einen riesigen Unterschied macht, ob man die Buchstaben selbst mit seinen Gedanken "produziert", oder ob jemand diese Buchstaben aus unserem Gehirn "herauslesen" wollte. Dieser umgekehrte Weg ist nämlich - auch mit einzelnen Buchstaben - nicht möglich.
Weiterführende Links: ( caution! you will loose your visions about neuroscience )
Erklärungen zur Geschichte, Aufbau und Funktionsweise der fMRI (Deutsch)
Tutorial - Erklärungen zum Aufbau und zur Funktionsweise von fMRI-Untersuchungen(English)
How to Lie with fMRI Statistics
Buchempfehlung: Stephan Schleim: "Gedankenlesen" - Besprechung
"Bilder" vom Gehirn und was wirklich "dahinter" steckt....
Grundlegende Probleme neurowissenschaftlicher Forschung:
Webseite "Neuropaedagogik.de" - Kapitel "Grenzen"
Spiegelartikel:
SPIEGEL 14/2008: Der Memory-Code – Forscher entziffern die Sprache des Gehirns
P.S.: Dieser Beitrag ist kein Aprilscherz, auch wenn man dies meinen könnte!