Eine interessante Diskussion wurde in der Sendung "Scobel" am Donnerstag präsentiert. Thema war das Verhältnis der Hirnforschung zur Psychoanalyse resp. zum Theoriegebäude von Sigmund Freud:
"Thema: Das Gehirn auf der Couch. Das Zusammenwachsen von Psychoanalyse und Neurowissenschaften zur sogenannten Neuropsychotherapie"So vielversprechend dieser Titel klingt, ist das "Zusammenwachsen" zur "Neuropsychotherapie" allerdings nicht. In der Gesprächsrunde wurde deutlich, dass Prof. Dr. Wolf Singer sich zur Teilnahme an der Bremer "Depressionsstudie" überreden lassen musste. Dort wird auch nicht eine Neuropsychotherapie entwickelt, sondern es wird versucht!!! zu zeigen, dass eine psychoanalytische Therapie bei Depressionen erfolgreich sein soll.
Im Beitrag auf der "Scobel-Seite" bei 3 Sat wird einem tatsächlichen Ergebnis der Studie bereits vorgegriffen. So heißt es dort in der Überschrift: "Freuds Theorien durch neue Techniken bestätigt." Diese Feststellung findet sich durch keine Aussage im nachfolgenden Text bestätigt:
Blick ins Gehirn. Verschiedene bildgebende Verfahren liefern Momentaufnahmen des Gehirns
Psychoanalyse soll bei Depressionen helfen
Die Patienten werden mit Bildern und Sätzen konfrontiert, die ihre persönlichen, psychischen Konflikte ansprechen. Dabei wird gemessen, welche Regionen besonders aktiv sind. Bezugspunkt für die Messungen ist eine gleich große Kontrollgruppe mit Gesunden, deren Reaktion ebenfalls auf "individuelle Stimulussätze" getestet wird. Der Unterschied: Die Teilnehmer der Kontrollgruppe führen ein befriedigendes Leben und haben funktionierende Beziehungen. Sie beziehen Probleme nicht automatisch auf sich und können Ärger insgesamt besser bewältigen. Entsprechend lassen sich die unterschiedlichen Reaktionen dann auch am Gehirnscan ablesen"
Warum Wissenschaft und seine mediale Variante ein Glaubwürdigkeitsproblem hat bzw. bekommt, lässt sich leicht an der nicht belegbaren Äußerung von Wolf Singer ablesen:"Weitere Studien werden folgen, aber eines kann man sicher jetzt schon sagen: sie werden unser Bild vom Zusammenspiel von psychischen Erkrankungen und unserem Gehirn entscheidend verändern."
Weder das, im Übrigen von Eric Kandel jovial kritisierte Versuchsdesign, noch der Versuchsaufbau lassen derart tiefgehende Einsichten, wie angekündigt, erwarten.
Denn hier stellen sich gleich mehrere Probleme, welche im Untersuchungsdesign unberücksichtigt bleiben:
1. Es gibt nicht "die" Depression, sondern es gibt verschiedene Erscheinungsformen von Depressionen.
Eric Kandel kritisiert daher, dass bei der Bremer Studie ein heterogenes "Patientengut" untersucht wird, welches man nachher allerdings homogen beurteilen möchte.
2. Die Ursachen von Depressionen unterscheiden sich voneinander
In der Studie wird nicht berücksichtigt, dass Depressionen möglicherweise völlig verschiedene Ursachen (im Sinne auch von Fehlfunktionen im Gehirn) haben können. Es wird also so getan, als ob Depression = Depression sei. Sobald die Studie fertig sein wird, ergibt sich daraus ein Interpretationsproblem. Es werden Daten mit ungleichen Erscheinungsformen korreliert!
2. In der Studie wird "Psychotherapie" gleichgesetzt mit der Verwendung von Schlüsselsätzen
In der Diskussion kam dies zum Ausdruck, als Frau Marianne Leuzinger-Bohleber darauf hinwies, dass in der Laborbeobachtung immer nur verkürzte Inhalte und Methoden verwendet werden können.
Auch dies wird zu berücksichtigen sein, wenn am Ende der Studie die Ergebnisse vorgestellt werden. Wer einen Satz liest, wie "Theorien Freuds durch neue Techniken bestätigt", muss sich die versuchstechnischen Hintergründe vor Augen führen. Denn Freuds Theorie lässt sich kaum in ein paar Schlüsselsätze packen.......
Oder wie Eric Kandel sagt: " Die Psychoanalyse ist nicht verifizierbar und auch nicht falsifizierbar" Außerdem ist die psychoanalytische Theorie hochkomplex, so dass selbst wenn man zukünftig die Möglichkeit hätte, Gehirnscans während Therapiesitzungen machen zu können, die Schwierigkeit bestünde, was man denn zu ihrer Bestätigung messen will.
Ein Besuch der hier angegebenen Links (u.a. die Videomitschnitte aus der Sendung) ist sehr empfehlenswert. Meines Erachtens wird dabei sehr deutlich, wie weit die Möglichkeiten der Neurowissenschaften reichen und wo ihre Beschränkungen liegen. Umgekehrt wird klar, dass komplexe Situationen, Sachverhalte und Theorien immer nur in Ansätzen für einen naturwissenschaftlichen (Erklärungs-)Zugang geeignet sind.
Die Gäste in der Sendung waren:
Prof. Dr. Eric R. Kandel
Neurowissenschaftler, Träger des Nobelpreises für Medizin aus dem Jahr 2000
Prof. Dr. Marianne Leuzinger-Bohleber
Direktorin des Sigmund Freud-Instituts in Frankfurt am Main
Prof. Dr. Wolf Singer
Neurophysiologe, Direktor des Max Planck-Instituts für Hirnforschung
Weitere Links zur Sendung:
Reizverarbeitung Der Mensch muss lernen, Ängste zu verarbeiten. Vor allem vor- und frühkindliche Erfahrungen sind dabei besonders wichtig und prägend für ein stabiles Selbst
1 Kommentar:
richteram besten machen sie immer das gegenteil von dem was ihnen sog. "psychiater" erzählen. einmal diagnostizieren diese "ärzte" endogene psychose oder schizophrenie oder depression oder dipolische störungen usw. schicken sie die psycho-tanten nach hause. heute bin ich prof. dr., und nicht hartz-4. das wäre ich, wenn ich schon auf den ersten "irrenarzt" gehört hätte, der war selber irr. und: halten sie unbedingt ihre klappe, wenn sie irgend eine psychische störung mal hatten.
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