Mittwoch, 27. Februar 2008

Asiaten sehen die Dinge anders: Hirnfunktionen hängen vom Kulturkreis ab

KulturAsiatenAmerikaner.jpg Dieselben visuellen Wahrnehmungsaufgaben werden bei unterschiedlicher Kulturzugehörigkeit verschieden gelöst. So extrahieren Amerikaner Objekte aus ihrer kontextuellen Abhängigkeit, während Asiaten Objekte in der Gesamtheit ihrer kollektiven und kontextuellen Abhänigkeit wahrnehmen. (Bild von Trey Hadden zum Artikel von Cathryn M. Delude vom McGovern Institute in Cambridge (Kansas))

Diese kulturellen Unterschiede beeinflussen sowohl die Wahrnehmung, als auch die Speicherung von Informationen und sie spiegeln sich in unterschiedlichen Hirnaktivitätsmustern.

Unter der Leitung von John Gabrieli, Professor am McGovern Institut für Hirnforschung beim MIT, wurden 10 Amerikaner und 10 Ostasiaten mittels einer funktionellen Magnet-Resonanz-Tomografie (fMRI) untersucht. Präsentiert werden die Ergebnisse in der Januarausgabe der "Psychological Science".

Den Probanden wurden Objekte gezeigt (von Quadraten umrahmte Linien) und sie sollten die verschiedenen Bilder miteinander vergleichen. Bei gleichen Leistungen zeigten die Probanden je nach Kulturzugehörigkeit unterschiedliche Aktivierungsmuster. Sie testeten zusätzlich die Einstellungen und Werte ihrer Probanden, um die jeweilige kulturelle Identifikation festzustellen. Dabei zeigte sich, dass die Muster der Hirnaktivierung abhängig von der Stärke ihrer kulturellen Identifikation war.

Gabrieli und Koll. führen diese Ergebnisse auf die unterschiedliche Art und Weise, wie die Wahrnehmung in den jeweiligen Kulturen "geschult" werden, zurück.

Anmerkung:
Die unterschiedlichen Wahrnehmungsprozesse könnten auch auf folgenden Sachverhalt zurückzuführen sein:
Zunächst ist die kindliche Wahrnehmung bildhaft geprägt. Im europäischen und amerikanischem Kulturkreis wird die bildliche Wahrnehmungsdominanz durch den Schulbesuch zunehmend abstrakter, so dass die bildliche Wahrnehmungsfähigkeit leidet und Menschen dieses Kulturkreises für visuelle Wahrnehmungsaufgaben mehr Hirnkapazitäten aufwenden müssen.
Im asiatischen Kulturkreis wird die bildhafte Wahrnehmung auch nach der Einschulung durch ihre bildliche Schriftsprache weiter trainiert. Dies könnte zusätzlich erklären, warum die Asiaten insgesamt weniger starke Hirnaktivitäten bei den o.g. Aufgaben zeigten.


Hintergründe:

Wahrnehmungspsychologen und Neurowissenschaftler vertreten die Auffassung, dass Wahrnehmung einerseits angeboren und andererseits durch Lernprozesse geprägt und verändert wird. In diesem Falle ging es lediglich um die Wahrnehmung von Zeichen, d.h. Quadraten mit eingezeichneten Linienstrukturen. Die Studie bezog sich ausschließlich auf diese Form der Wahrnehmung. Man weiß von Kleinkindern, dass sie bildhaft denken und dass das bildhafte Denken nach Schuleintritt zunehmend "zeichenorientiert" wird. Sie lernen das ABC, die Buchstaben symbolisieren Laute. Asiaten hingegen "schreiben" in einer Bildersprache. Diese Schrift ist entstanden aus "Bildern" der entsprechenden Objekte. Es wird nun davon ausgegangen, da die Bildersprache bei Asiaten auch nach Schuleintritt durch die "Bilder-Schriftzeichen" weiter intensiv geübt wird, dass deren Bildwahrnehmung dadurch auch nach Schuleintritt genau und präzise bleibt. Die kindliche "Bildvorstellung" muss dort nicht zugunsten einer abstrakten "Zeichensprache" aufgegeben werden, weswegen dann Asiaten in bildbezogenen Tests - wie oben erwähnt - automatisch anders vorgehen und dann auch anders abschneiden als Europäer und Amerikaner. D.h. würde man diesen Test mit Vorschulkindern machen, dürfte es vermutlich kaum zu großen Unterschieden kommen.

Aus meiner Sicht kann und sollte dieses Ergebnis wiederum auch nicht allzusehr verallgemeinert werden, denn es betrifft nur einen kleinen Ausschnitt der gesamten menschlichen Wahrnehmung.....

Montag, 25. Februar 2008

Pressemitteilung: Im Wachkoma? – Oder an der Grenze zum Bewusstsein?

Von neuen Methoden für Hirnaufnahmen erhoffen Mediziner sich zuverlässigere Prognosen
Patienten im Wachkoma sind völlig bewusstlos. Was die Angehörigen oft stark irritiert: Diese Menschen öffnen von selbst die Augen, liegen dann anscheinend wach da, bewegen sich auch manchmal und zeigen sogar Spontanregungen wie Stöhnen, Weinen, Lächeln oder Zähneknirschen. Doch Neurologen finden keinerlei Anzeichen irgendwelcher Hirntätigkeiten in höheren Zentren, die eine – wenn auch noch so geringe – geistige Aktivität vermuten lassen könnten. Demnach werden alle Verhaltensäußerungen eines Wachkomapatienten völlig unbewusst von niederen neuronalen Netzwerken erzeugt.
Fehlende Kommunikation im Gehirn

Allerdings kann der äußere Zustand täuschen. Manche Wachkomapatienten gleiten allmählich in einen Zustand minimalen Bewusstseins, wie die Mediziner sagen. Auch in diesem Zustand können die Patienten nicht Gedanken oder Gefühle ausdrücken oder kommunizieren. Doch unter Umständen erfolgen gelegentlich einige ihrer Bewegungen nicht mehr rein reflexhaft. Einzelne dieser Menschen kommen selbst nach Jahren wieder zu Bewusstsein, während das bei Wachkomapatienten erfahrungsgemäß nicht geschieht. Umso wichtiger ist es, dass Ärzte diesen Zustand zuverlässig diagnostizieren können. Doch das ist bisher auch mit den modernsten Verfahren gar nicht einfach.

Der belgische Neurologe Steven Laureys von der Universität Liège schildert in der März-Ausgabe von „Spektrum der Wissenschaft“ neue Forschungsergebnisse zur Hirnaktivität von Wachkomapatienten und Menschen im Zustand minimalen Bewusstseins. Die neuesten bildgebenden Verfahren lassen teils – etwa bei gezielter Stimulation wie durch einen Schmerzreiz an der Hand – tatsächlich große Unterschiede erkennen. Bei Wachkomapatienten reagieren dann ausschließlich niedere Hirnregionen. Im Zustand eines minimalen Bewusstseins sprechen dagegen auch höhere Gebiete an. So werden manchmal bei einem Hörreiz neuronale Netze der Sprachverarbeitung aktiv – auch wenn man dem Patienten äußerlich nichts anmerkt. Nur im Hirnbild ist deutlich zu erkennen, dass offensichtlich höhere Zentren in gewissen Situationen wieder kommunizieren können.

Laureys beschreibt auch die noch viel schwierigeren Diagnosen bei Wachkomapatienten, die den Zustand minimalen Bewusstseins noch nicht erreicht haben, aber doch einzelne geringe Hirnregungen zeigen – die etwa bei einer vertrauten Stimme oder wenn jemand ihren Namen ruft charakteristische Hirnmuster aufweisen, bei anderen Reizen aber nicht. Allein neurologisch deutet sich dann an, dass dieser Patient das reine Wachkoma vielleicht bald verlassen könnte. Doch Laureys warnt auch vor zu hohen Erwartungen. Nur wenige Betroffene kommen wieder zu einem vollen Bewusstsein. Auch für Wachkomapatienten sind die Aussichten in den ersten Wochen bis Monaten am besten.

Weitere interessante Artikel und Links zum Thema finden Sie unter: http://www.spektrum.de/artikel/940411&_z=798888

Wachkoma: Thema im Märzheft 2008 "Spektrum der Wissenschaft"

Inhaltsverzeichnis: hier

Donnerstag, 21. Februar 2008

H.-J. Markowitsch: Dem Gedächtnis auf der Spur


Nun ist es wieder da: Das Grundlagenbuch, welches ich vielen empfohlen hatte, allerdings zunächst einmal vergriffen war. Über eine erneute Leseranfrage habe ich festgestellt, dass es wohl seit Ende 2007 wieder zu haben ist:

Hans-Joachim Markowitsch beschreibt in seinem Buch wie unser Gedächtnis funktioniert. Die dort dargestellte Gedächtnistheorie geht auf die Schule von Endel Tulving zurück. Prof. Dr. Markowitsch verbrachte mehrere Forschungsaufenthalte bei Prof. Dr. Tulving am Rotman Research Institute in Toronto. Die "Tulving/Markowitsch - Gedächtnistheorie" ist bislang noch die einzige in sich abgeschlossene Theorie über die Funktionsweise des Gedächtnisses beim Menschen. Sie geht zurück auf die langjährige Arbeit der beiden Forscher an Patienten mit Gedächtnisstörungen.

So enthält das Buch - neben spannenden Fallbeschreibungen jener Patienten - auch einen geschichtlichen Abriß auf dem Weg zur Entstehung der heute gültigen Gedächtnistheorie. Obwohl dieses Buch für Laien oft schwer verständliche Inhalte enthält, ist es leicht verständlich und unterhaltsam geschrieben.

Prof. Dr. Markowitsch besitzt neben seinem unstillbaren Forscherdrang und seiner Spezialisierung auf neurophysiologische Vorgänge die Gabe, schwer zu vermittelnde Inhalte methodisch-didaktisch so aufzubereiten, dass auch Leser mit weniger Vorkenntnissen seinen Ausführungen sehr gut folgen können.

Wer, wie ich, die Chance hatte bei ihm zu studieren, weiß, dass seine Lehrveranstaltungen immer hochinteressant und vor allem gut verständlich waren (sind).
Das bei Psychologiestudenten vielfach gefürchtete "schwere" Fach "Physiologische Psychologie" verlor dank seiner Veranstaltungen für viele den Schrecken. Nicht nur ich verdanke ihm mein nicht nachlassendes Interesse an den Neurowissenschaften.......

Das Buch "Dem Gedächtnis auf der Spur" - Vom Erinnern und Vergessen wurde von ihm speziell für Studienanfänger und für die am Thema interessierte "Laienleserschaft" geschrieben. Herausgekommen ist ein Buch, welches sowohl Laien, als auch Fachwissenschaftler mit Gewinn lesen. (Lt. wiss. Studien lesen nämlich auch Wissenschaftler lieber "gut verständlich geschriebene" Bücher ;-))

Inhaltesverzeichnis

  • Gedächtnis
  • Formen und Facetten Gedächtnis in heutiger Sicht
  • Varianten von Gedächtnis bei Tier und Mensch
  • Gedächtnisverarbeitung im Gehirn
  • Anatomie des Gedächtnisses
  • Gedächtnisstörungen nach Hirnschäden und Korrelate funktioneller Bildgebung
  • Beeinflussung des Gedächtnisses durch Psyche und Umwelt
  • Gedächtnisdiagnostik und Gedächtnistrainingstechniken
  • Ausblick: Erinnern und Vergessen
  • Worterklärungen im Glossar
Besonders hervorzuheben ist noch, dass sämtliche Fachausdrücke erklärt werden und diese dank Glossar im Wiederholungsfall nachgeschlagen werden können.

FAZIT:
Ein, nein "das" Buch über das Gedächtnis "gehirn-gerecht" geschrieben

Hans-Joachim Markowitsch
Dem Gedächtnis auf der Spur
Vom Erinnern und Vergessen
WBG-Preis EUR 19,90
Verlagsausgabe EUR 24,90

ISBN 978-3-89678-447-6




Weiterführende Links:

Homepage von Prof.Dr. Markowitsch
Bericht: Erstes Programm - Thema: Plötzlicher Gedächtnisverlust: hier
Gedächtnis und Gedächtnisstörungen. Neuropsychologie des menschlichen Gedächtnisses: hier
Das Ich und die Erinnerung: hier

Sonntag, 17. Februar 2008

Pubertät (2) "Hirnentwicklung in der Pubertät"

Sarah-Jayne Blakemore ist eine der wenigen Forscherinnen, welche sich mit der geistigen Entwicklung und ihren Veränderungen im Gehirn, während der Pubertät befasst. Im Buch "Wie wir lernen - Was die Hirnforschung darüber weiß" werden dieser Altersphase 16 Seiten ! gewidmet. Hauptsächlich auf die dort vorgetragenen neuen Erkenntnisse stützen sich auch meine Ausführungen:

Die Pubertät scheint sowohl für die Betroffenen, als auch deren Umgebung die schwierigste aller "kindlichen" Altersphasen zu sein. Sie ist gekennzeichnet durch folgende Merkmale
  • Lösungstendenz vom Elternhaus und der Eltern - und Erwachsenenmeinungen
  • Neigung zu "überzogenen" Emotionen und emotionalen Reaktionen
  • Zeiten der Selbstverunsicherung und Selbstfindung
  • starke hormonelle Umstellungen und Umbauaktivitäten im Gehirn
  • zunehmende Verstelbständigung verbunden mit dem Druck zur beruflichen Orientierung
Wie kommt es zu solch relativ drastisch erlebten Veränderungen während der Pubertät?

Umbauaktivitäten im Gehirn
Hier konnte die so genannte kognitve*(1)Neurowissenschaft ein wenig Licht ins Dunkel bringen.
Im Zentrum steht dabei die Weiterentwicklung des Frontalhirns* (2), die Verringerung der grauen Masse*(3) zugunsten der weißen Masse (4) des Gehirns während der pubertären Entwicklungsphase.

Die Weiterentwicklung des Frontalhirns
Die Weiterentwicklung des Frontalhirns endet dabei nicht - wie früher angenommen - mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter, sondern entwickelt sich auch im Erwachsenenalter durch Lernen und Erfahrung ständig weiter.
Das Frontalhirn ist diejenige Region im Gehirn, welche sich am spätesten entwickelt. Dem Frontalhirn werden dabei verschiedene wichtige Funktionen zugeschrieben:
  • Fähigkeit unpassendes Verhalten zu unterdrücken
  • Planungsfunktion
  • Entscheidungen treffen
  • Informationen im Kopf behalten
  • Zwei Dinge gleichzeitig tun
Man weiß aus der Untersuchung von Gehirnen verstorbener Kinder und Jugendlicher, dass das Frontalhirn bei Kindern anders beschaffen ist, als das Frontalhirn bei Jugendlichen.

Dabei kommt nun die Umwandlung von der grauen zur weißen Masse *(2) ins Spiel. Die weiße Masse ist leistungsfähiger als die graue Masse:
Die weiße Masse enthält schnellere und damit funktionsfähigere Nervenverbindungen. Kennzeichen der weißen Masse ist die Myelinisierung*(4) der Nervenbahnen, weswegen die vormals graue Hirnmasse unter dem Mikroskop weißlich aussieht. Die Myelinisierung bewirkt eine 50fache Beschleunigung der Nervenleitung!

Aus diesem Grunde gehen Wissenschaftler davon aus, dass der kognitive Leistungsabfall zu Beginn der Pubertät auf die Umwandlungsprozesse der grauen zur weißen Masse zurückzuführen sei. (da in der grauen Masse "gespeicherte" Funktionen vermutlich verloren gehen). [ Studie von R. McGivern & al., San Diego State University] Hinzu kommen dann noch die Auswirkungen der hormonellen Umstellung (Aggressionszunahme bei Jungen, emotionale Instabilität bei Mädchen)
"Die Forscher brachten diesen pubertären Leistungsabfall mit der raschen Vermehrung der Synapsen in Verbindung, zu dem es zu Beginn der Pubertät kommt. [..] die Entwicklung des Frontalkortexes nicht linear verläuft, sondern sich während der Pubertät zunächst verlangsamt, dann aber die ganze Adoleszenz hindurch sehr rasch fortschreitet. Diese nicht lineare Entwicklung könnte auf eine gleichzeitig stattfindende Reorganisation des Gehirns hindeuten, bei der es zunächst zu einer vermehrten Synapsenbildung in den Frontallappen und danach zum "Ausjäten" von ungenutzten bzw. zur Festigung von genutzten Synapsen kommt." (Zitat aus Blakemore/Frith: Wie wir lernen, S. 171/172)


Das - so muss man zugeben - sind doch sehr schöne und plausible Erklärungen. Jedoch gerade bezüglich des pubertären Leistungsabfalles, müssen diese noch mit höchster Vorsicht betrachtet werden:

"Man darf nicht vergessen, dass dieser pubertäre Leistungsabfall bis jetzt nur bei einer einzigen Studie gefunden wurde"(ebd. S. 172)
FAZIT:
Was uns bleibt, sind die organisch nachgewiesenen Veränderungen im Frontalhirn (graue Masse => weiße Masse), das Wissen, dass der größere Anteil an weißer Masse eine größere geistige Leistungsfähigkeit bewirkt, da die Nerven schneller leiten.

Ebenso bleibt die Gewissheit, dass Hormone das Verhalten beeinflussen und die hormonelle Situation gerade in der Pubertät starken Schwankungen unterworfen ist.


Weiterführende Literaturempfehlungen

http://neuropaedagogik.blogspot.com/2008/01/wie-wir-lernen-was-die-hirnforschung.html
Seite 160 ff.: Das adoleszente Gehirn- Was verändert sich nach der Pubertät usw.
Sarah-Jayne Blakemore, Uta Frith

Wie wir lernen
Was die Hirnforschung darüber weiß

ISBN: 978-3-421-05922-2

€ 24,90 [D] / SFr 43,90
DVA Sachbuch, Februar 2006


Seite 41 ff.: Das Gehirn: Aufbau und Funktionen
Biopsychologie. Ein Lehrbuch
Thomas Köhler Gebundene Ausgabe - Kohlhammer (Dez 2001) - 430 Seiten
ISBN 317016984X - ISBN-13 9783170169845 (vergriffen, aber bei versch. Anbietern erhältlich - siehe Preisvergleich bei http://bookbutler.de)


Preiswertestes Angebot zur Zeit bei Jokers für 9.95 € + Versand erhältlich: hier


http://neurowissenschaften.blogspot.com/2008/01/buchempfehlung-lehrbuch-zur.html

Seite 453 ff.: Ausführliche Darstellung zu den Entwicklungs- und Risikofaktoren im Jugendalter:
Petermann, Niebank, Scheithauer

Entwicklungswissenschaft
Entwicklungspsychologie - Genetik - Neuropsychologie
2004, XVI, 625 S. 182 Abb., 45 Tab., Geb.

ISBN: 978-3-540-44299-8 - 14,95 €


Linkempfehlungen:
About Sarah-Jane Blakemore: group leader cognitive neuroscience
http://www.icn.ucl.ac.uk/dev_group/people.htm
Study results from S.-J. Blakemore:
Ground-breaking British research has revealed that teenagers' brains change during adolescence much more than had previously been though
http://www.guardian.co.uk/science/story/0,3605,1640240,00.html
It’s not just the hormones, says Vivienne Parry. During puberty teenagers’ brains are undergoing a radical readjustment
http://www.dimaggio.org/Eye-Openers/young_people.htm

Fussnoten:
___________________________________________________________________________________________

*(1)http://www.sign-lang.uni-hamburg.de/projekte/slex/seitendvd/KonzeptG/L52/L5255.htm
"Der Begriff kognitiv stammt aus der Psychologie und bezeichnet solche Funktionen des Menschen, die mit Wahrnehmung, Lernen, Erinnern und Denken, also der menschlichen Erkenntnis- und Informationsverarbeitung in Zusammenhang stehen. Neben den kognitiven Funktionen sind die emotionalen Gesichtspunkte und der Bereich der Motive für die menschliche Erkenntnisverarbeitung von Bedeutung."
*(2) Ausführliche Erläuterungen zu Frontalhirnfunktionen: hier
*(3) Kurze Erläuterungen zur grauen und weißen Substanz: hier
*(4) Myelinisierung: hier

Um zukünftige Beiträge noch besser auf Ihre/Deine Bedürfnisse abzustimmen, mache ich diese Umfrage. Je mehr Teilnehmer abstimmen, um so eher habe ich eine Orientierung.
Und wer noch mehr Stellung nehmen möchte, den lade ich ganz herzlich zur Diskussion "Was sind "gute" Wissenschaftsblogs ein: http://wissenschaftsblogs.blogspot.com



Sonntag, 10. Februar 2008

Pubertät (1): Was hat der Neurotransmitter "Dopamin" mit der Pubertät zu tun?

Die "Pubertät" und damit verbundene Erscheinungen (Gefühlsschwankungen, Risikofreude, Suchtgefahren etc.) beschäftigt Eltern und Pädagogen seit Generationen. Um so erstaunlicher ist, dass wenig konkrete Forschung, dafür um so mehr Theorien und Hypothesen zur Adoleszenz vorliegen:

Die "Dopamin-Hypothese" als monokausale Erklärung

Manche Erklärungsversuche beziehen sich lediglich auf einen! Faktor (z.B. die sog. Dopamin-Hypothese: hier) und behaupten dass Depressionen, Risikofreude etc. auf die in dieser Zeit angeblich zurückgehende "Dopaminproduktion" zurückzuführen sei. Solche Erklärungen nennt man monokausal (wörtl. übersetzt eine Ursache).

Zur Erklärung: Dopamin ist ein Neurotransmitter (= Überträgerstoff) unter vielen Neurotransmittern und zählt zu den Monoaminen (Eiweiße). Dopamin wird eine anregende Wirkung zugewiesen und wird durch seinen angeblichen Mangel während der Pubertät u.a. für das sog. "sensation-seeking" (= Suche nach starken Empfindungen*) verantwortlich gemacht. Da man aber noch weitere (unbekannte) Neurotransmitter vermutet, welche eine ähnliche Wirkung entfalten (könnten) und sich die Art und Menge des Dopamins bei Pubertierenden schwer messen lässt, tappt man hier eigentlich noch im Dunkeln. Allerdings liefert das Dopamin eine leicht verständliche Erklärung und das dürfte der Grund sein, warum die Dopamin-Hypothese so gerne herangezogen wird. Unter Entwicklungspsychologen und Neurowissenschaftlern wird diese Hypothese kontrovers diskutiert.


Solche monokausalen Erklärungsversuche erweisen sich dementsprechend bei näherem Hinsehen für unzulänglich, wenn es um die Erklärung komplexer Erscheinungen geht:

In der Pubertät verändert sich das Selbstkonzept. Jugendliche "suchen" nach ihrer "Identität". Sie stellen überkommene Werte und Normen in Frage, handeln risikofreudig und emotional. Im Jugendalter geschehen die meisten, oft unvermeidbaren Suizide (gemäß der unten genannten Jugendstudien). Die Gefühlsschwankungen sind - je nach Veranlagung - drastisch. Migrantenkinder haben zudem das Problem einer uneindeutigen ethnischen Identität. Kurz gesagt, es ist eine Zeit eines starken Umbruchs.

Warum gibt es dennoch so wenig Forschung zur Entwicklung der sozialen und kognitiven Kompetenzen (= Entwicklung der geistigen Fähigkeiten*) im Jugendalter? Darüber kann man nur staunen. Ebenso wie man sich wundern kann, dass die eher unkomplizierten Entwicklungszeiten (Vorschulalter + Grundschulalter) hingegen stark im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen und etliche bildungspolitische Anstrengungen unternommen werden, um diese Altersklassen zu "versorgen". Währenddessen werden Eltern und Pädagogen mit Pubertätsproblemen allein gelassen (die PISA-Studie bezieht sich v.a. auf die Zeit während der Pubertät, während in der Grundschulstudie (IGLU) Deutschland im Ländervergleich gut abschneidet!)

Ich weiß, alles zusammen genommen, sind die psychologischen und neurowissenschaftlichen Erkenntnisse zum Jugendalter sehr "dünn". Unten habe ich zur Vertiefung einige informative Internetadressen und Literatur zusammengetragen:

Internet:
  • Überblick: Entwicklungstheorien zum Jugendalter: hier
  • Entwicklungsfragen und –risiken im Jugendalter: hier
  • Stichwortartiger Überblick zur Züricher Jugendstudie: hier
  • Züricher Jugendforschung: Entwicklungsrisiken im Jugendalter: hier
Literatur:

Flammer, A., & Alsaker, F.D. (2002). Entwicklungspsychologie der Adoleszenz. Bern: Huber.
Rita Kohnstamm (1999) Praktische Psychologie des Jugendalters. Bern: Huber

Rita Kohnstamm erläutert die Entwicklungsprobleme im Jugendalter praxisnah und leicht verständlich . Das Buch ist daher für "Praktiker" sehr gut geeignet. Weitere Informationen zum Buch und zum Jugendalter: hier

Im nächsten Post berichte ich über "weitere"neurowissenschaftliche Erkenntnisse zum "adoleszenten Gehirn".

Um zukünftige Beiträge noch besser auf Ihre/Deine Bedürfnisse abzustimmen, mache ich diese Umfrage. Je mehr Teilnehmer abstimmen, um so eher habe ich eine Orientierung.
Und wer noch mehr Stellung nehmen möchte, den lade ich ganz herzlich zur Diskussion "Was sind "gute" Wissenschaftsblogs ein: http://wissenschaftsblogs.blogspot.com