Sonntag, 10. Februar 2008

Pubertät (1): Was hat der Neurotransmitter "Dopamin" mit der Pubertät zu tun?

Die "Pubertät" und damit verbundene Erscheinungen (Gefühlsschwankungen, Risikofreude, Suchtgefahren etc.) beschäftigt Eltern und Pädagogen seit Generationen. Um so erstaunlicher ist, dass wenig konkrete Forschung, dafür um so mehr Theorien und Hypothesen zur Adoleszenz vorliegen:

Die "Dopamin-Hypothese" als monokausale Erklärung

Manche Erklärungsversuche beziehen sich lediglich auf einen! Faktor (z.B. die sog. Dopamin-Hypothese: hier) und behaupten dass Depressionen, Risikofreude etc. auf die in dieser Zeit angeblich zurückgehende "Dopaminproduktion" zurückzuführen sei. Solche Erklärungen nennt man monokausal (wörtl. übersetzt eine Ursache).

Zur Erklärung: Dopamin ist ein Neurotransmitter (= Überträgerstoff) unter vielen Neurotransmittern und zählt zu den Monoaminen (Eiweiße). Dopamin wird eine anregende Wirkung zugewiesen und wird durch seinen angeblichen Mangel während der Pubertät u.a. für das sog. "sensation-seeking" (= Suche nach starken Empfindungen*) verantwortlich gemacht. Da man aber noch weitere (unbekannte) Neurotransmitter vermutet, welche eine ähnliche Wirkung entfalten (könnten) und sich die Art und Menge des Dopamins bei Pubertierenden schwer messen lässt, tappt man hier eigentlich noch im Dunkeln. Allerdings liefert das Dopamin eine leicht verständliche Erklärung und das dürfte der Grund sein, warum die Dopamin-Hypothese so gerne herangezogen wird. Unter Entwicklungspsychologen und Neurowissenschaftlern wird diese Hypothese kontrovers diskutiert.


Solche monokausalen Erklärungsversuche erweisen sich dementsprechend bei näherem Hinsehen für unzulänglich, wenn es um die Erklärung komplexer Erscheinungen geht:

In der Pubertät verändert sich das Selbstkonzept. Jugendliche "suchen" nach ihrer "Identität". Sie stellen überkommene Werte und Normen in Frage, handeln risikofreudig und emotional. Im Jugendalter geschehen die meisten, oft unvermeidbaren Suizide (gemäß der unten genannten Jugendstudien). Die Gefühlsschwankungen sind - je nach Veranlagung - drastisch. Migrantenkinder haben zudem das Problem einer uneindeutigen ethnischen Identität. Kurz gesagt, es ist eine Zeit eines starken Umbruchs.

Warum gibt es dennoch so wenig Forschung zur Entwicklung der sozialen und kognitiven Kompetenzen (= Entwicklung der geistigen Fähigkeiten*) im Jugendalter? Darüber kann man nur staunen. Ebenso wie man sich wundern kann, dass die eher unkomplizierten Entwicklungszeiten (Vorschulalter + Grundschulalter) hingegen stark im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen und etliche bildungspolitische Anstrengungen unternommen werden, um diese Altersklassen zu "versorgen". Währenddessen werden Eltern und Pädagogen mit Pubertätsproblemen allein gelassen (die PISA-Studie bezieht sich v.a. auf die Zeit während der Pubertät, während in der Grundschulstudie (IGLU) Deutschland im Ländervergleich gut abschneidet!)

Ich weiß, alles zusammen genommen, sind die psychologischen und neurowissenschaftlichen Erkenntnisse zum Jugendalter sehr "dünn". Unten habe ich zur Vertiefung einige informative Internetadressen und Literatur zusammengetragen:

Internet:
  • Überblick: Entwicklungstheorien zum Jugendalter: hier
  • Entwicklungsfragen und –risiken im Jugendalter: hier
  • Stichwortartiger Überblick zur Züricher Jugendstudie: hier
  • Züricher Jugendforschung: Entwicklungsrisiken im Jugendalter: hier
Literatur:

Flammer, A., & Alsaker, F.D. (2002). Entwicklungspsychologie der Adoleszenz. Bern: Huber.
Rita Kohnstamm (1999) Praktische Psychologie des Jugendalters. Bern: Huber

Rita Kohnstamm erläutert die Entwicklungsprobleme im Jugendalter praxisnah und leicht verständlich . Das Buch ist daher für "Praktiker" sehr gut geeignet. Weitere Informationen zum Buch und zum Jugendalter: hier

Im nächsten Post berichte ich über "weitere"neurowissenschaftliche Erkenntnisse zum "adoleszenten Gehirn".

Um zukünftige Beiträge noch besser auf Ihre/Deine Bedürfnisse abzustimmen, mache ich diese Umfrage. Je mehr Teilnehmer abstimmen, um so eher habe ich eine Orientierung.
Und wer noch mehr Stellung nehmen möchte, den lade ich ganz herzlich zur Diskussion "Was sind "gute" Wissenschaftsblogs ein: http://wissenschaftsblogs.blogspot.com


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